Der botanische Garten in München gehört zu einem meiner Lieblingsplätze auf diesem Planeten.
Eigentlich wäre es angebracht dort zu wohnen, aber das ist leider
nicht möglich. Die Gartenverwaltung und der Hausmeister haben alles
beschlagnahmt und sind selber eingezogen. Es wäre schon schön in aller Früh und während der Nebel
seine letzten Schleier zieht, Barfuß im Morgenmantel die Balkon
Flügeltüren mit einer sicheren, aber eleganten Bewegung zu öffnen und
auf das Blumenmeer zu blicken. Ich stelle mir das ungefähr so vor: Die
Augen schließen ( die Hände sind immer noch an den Griffen der
Balkontüren ) die kühle Morgenluft langsam und genussvoll ein - und den
Schlaf der vergangenen Nacht ausatmen. Augen mit einem dramatischen und in Zeitlupen-Tempo Schlag aufmachen. Jetzt die Hände von den Griffen
nehmen und das rechte Bein leicht schräg an das linke anwinkeln. Haare
öffnen und den Kopf zweimal nach links und zweimal nach rechts
schütteln, so dass das Haar schön locker ist und einzelne Strähnchen ins
Gesicht fallen, gegebenfalls sogar an den Lippen kleben bleiben. Mit
einem entschlossenen Ruck den Kopf und Schultern aufrecht halten, Lippen
entspannen so dass sie einen Millimeter geöffnet sind, anschließend
musternden Blick aufsetzen. Mit der linken Hand den Morgenmantel am Hals
zusammendrücken, damit es nicht zieht. Mit der rechten Hand, öfter
aber sehr langsam, über den linken Oberarm streichen, weil es ja doch
noch frisch ist. Dann mit beiden Händen leicht am Geländer abstützen und
vorsichtig, aber nicht zu weit, vorbeugen um zu sehen was für ein Vogel
da unten zwitschert. Während dessen auf die Zehenspitzen stellen, das
rechte Bein nach hinten anwinkeln und den Fuß nach oben strecken. Weiter. Noch weiter. Wie früher im Ballett. Die Zehen spitzen sich in der Luft zusammen und der Fuß ist durchgestreckt. Ja, so.
In dieser Pose verweilen
weil es sexy aussieht. Warten bis es jemand sieht. So tun als würde man
nicht merken dass es jemand sieht, damit er sich traut länger
hinzuschauen. Ihn aber nicht zu lange schauen lassen. Den " ich bin auch
am frühen Morgen sehr beschäftigt Blick " aufsetzen, umdrehen,
reingehen, fettfreie Croissants mit kalorienfreier Marmelade am schön
gedeckten Frühstückstisch essen. Ohne dem Morgenmantel, natürlich. Der
liegt noch auf dem Balkon, fiel beim Reingehen ausversehen runter.
Ja, und so weiter eben.
Also
verbringe ich meine Zeit anderweitig dort, zum Beispiel wenn ich das
dringende Bedürfnis nach Ruhe verspüre, wenn ich große Entscheidungen
treffen muss und lange Nachdenkphasen habe, wenn ich lerne und einen
ruhigen Ort brauche oder einfach nur so - wie an diesem schönen Tag.
Ich
war bestimmt schon eintausendundeinmal dort, aber habe noch nie fotografiert. Der Garten ist ein Wunderreich. Jedesmal wenn ich dort bin,
entdecke ich etwas neues bezauberndes. Irgend eine Pflanze oder eine
Blüte die ich noch nie zuvor gesehen habe. Als ich die Bilder ausgewählt
habe, ist mir zum Beispiel erst aufgefallen wie viele grün Töne es
geben muss... Eintausendundein?
Ist vielleicht auch nicht so wichtig.